Carmen Kwasny

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Unendliche Weiten

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Ein Neubeginn - Wenn plötzlich alles anders ist

Teil 3 - Stricke loslassen und mit dem Herzen denken 

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Ich habe mich früher ebenfalls in den Boxring gestürzt oder das Schachbrett betreten, wie Harry Potter und seine Freunde in der einen Szene, in der sie bis zum Ende "weiterspielen" mussten und auch ich habe mich in der Vergangenheit mehrmals so verstrickt, dass eine Auflösung des Knäuels nur noch durch ausgeklügelte Kampfstrategien möglich war. Dann gab es "Sieger" und "Verlierer". Irgendwann erkannte ich, dass dieses ewige Tauziehen die größte Energieverschwendung ist. In meinen Seminaren "Die Kunst, Gedanken zu meistern" verwende ich das Tauziehen als anschauliches Beispiel: Zwei Menschen stehen sich gegenüber und ziehen an einem Strick. Der eine will den anderen unbedingt auf "seine" Seite ziehen und umgekehrt. Sie zerren mit all ihrer Kraft. Was passiert, wenn einer von beiden den Strick ganz plötzlich loslässt?

Es ist ein befreiendes Gefühl, dazu in der Lage zu sein, den Strick einfach loszulassen. Aber die andere Person schwebt, sofern sie keinen festen Stand hat, in Gefahr, sich bei dem Fall nach hinten zu verletzen. Die meiste Energie wird eingespart und kann für positive Entwicklungen verwendet werden, wenn wir die Stricke, die uns zugeworfen werden, nicht mehr in die Hände nehmen. Es gibt Situationen, in denen das Ignorieren einer Herausforderung nicht gut ist. Aber das meiste Tauziehen macht nicht wirklich Sinn. Wir verstricken uns, ohne dass dies überhaupt notwendig ist. Die Streitereien, die entstanden sind, weil einige Medien aus Empfehlungen und Hinweisen Verbote gemacht haben, sind das allerbeste Beispiel dafür.



Ich habe die dreieinhalb Jahre seit der Absage aller Veranstaltungen im März 2020 mehr oder weniger als Eremit verbracht. Beim Schreiben dieses Textes erfuhr ich, dass "Eremit" nicht nur die Bezeichnung für einen Einsiedler ist. Auch ein "relativ plump wirkender Blatthornkäfer" wurde wegen seiner "verborgenen Lebensweise" so benannt. Menschliche Eremiten schweben in Gefahr, sich irgendwann mit einem alten, angemalten Fußball zu unterhalten. Gespräche am Gartenzaun haben mich vor Schlimmerem bewahrt.

Per Gesetz zum Entschleunigen verurteilt, hatte ich Zeit für Projekte, die mir sehr am Herzen liegen. Zwei davon sind Internetseiten für Kinder. Und ich habe sehr viel durch die Videokonferenzen gelernt und dabei entdeckt, wie sehr ich es genieße, Power Point Präsentationen zu erstellen. Doch trotz dieser neuen Möglichkeiten, nahm die Frustration auch bei mir ständig zu. Die Situation erinnerte mich an Sisyphos aus der griechischen Mythologie, der dazu verdammt ist, den schweren Felsbrocken immer und immer wieder den Berg hochzuschieben, nur um dann vollkommen machtlos dabei zuzuschauen, wie dieser erneut den ganzen Berg ins Tal hinunter rollt. Mir ist das mal mit einem großen, runden Heuballen passiert. Ich hatte ihn ganz langsam und vorsichtig vom Stapel heruntergekippt und wollte ihn mit der flachen Seite auf den Boden stellen.



Das war mein Plan. Heute weiß ich, dass gepresstes Heu elastische Eigenschaften hat, doch damals war ich ahnungslos. Der runde Ballen verwandelte sich blitzeschnell in einen Riesen-Flummi, der sich immer schneller rollend und dopsend talwärts bewegte, wo er kurz vor einem Gartenzaun in der Nähe eines Gewächshauses zum Stehen kam. - Puh. - Mein Nachbar, ein hilfsbereiter Landwirt, hat ihn mit dem Traktor wieder nach oben geholt und ich bin ihm noch immer dankbar dafür.. Sisyphos hat keinen freundlichen Nachbarn mit schwerem Gerät.

Es ist eine sehr erschreckende Erfahrung, hilflos dort zu stehen und nur noch hoffen zu können, dass nichts Schlimmes passiert. Es reicht aus, eine Situation falsch einzuschätzen, um etwas in Gang zu setzen, das sich dann nicht mehr kontrollieren lässt. Diese Erfahrung habe ich in meinem Leben nicht nur einmal gemacht. Und nach jedem Fall bin ich wieder aufgestanden, hab' die Ärmel hochgekrempelt und mich und den Felsbrocken erneut nach oben gehievt.


Doch diesmal war es anders. Mir wurde bewusst, dass ein winzig kleines,, mit dem bloßen Auge nicht sichtbares Virus, das als "Krone" ("Corona") bezeichnet wird, alles aus den Angeln heben kann. Noch mehr haben mich die Reaktionen vieler Menschen geschockt. Irgendetwas ist dadurch in meinem tiefsten Inneren zerbrochen und ich kann es noch immer nicht in Worte fassen. Es hat etwas mit Vertrauen zu tun.

Des ewigen Kampfes müde, beschloss ich, den Felsbrocken im Tal liegenzulassen. Noch nie zuvor in meinem Leben hatte ich mich so erschöpft, traurig und frustriert gefühlt. Es gab für mich nur noch einen Weg: Ich musste meine inneren Widerstände aufgeben und Situationen akzeptieren, die ich nicht verändern kann. Es hat sich herausgestellt, dass dies ein ständiger Lernprozess ist. Eine Herausforderung, die einem sehr viel Achtsamkeit abverlangt. Atemübungen und Meditationstechniken aus dem Tai Chi und Qi Gong Training waren eine große Hilfe. 

Dann kam der Tag, an dem sich meine bisherige Sichtweise komplett veränderte. Jetzt weiß ich, wie es sich anfühlt, mit dem Herzen zu denken. Ich habe es aufgegeben, gegen den Strom zu schwimmen und beschlossen stattdessen, mit dem Wind zu segeln. Ich kann eine Route vorschlagen, einen Kompass benutzen und versuchen, Untiefen zu umschiffen, aber ich habe keinerlei Einfluss auf den Wind, auf den Wellengang, auf die Sonne oder auf den Regen. Zu denken, unser Leben würde in unseren eigenen Händen liegen, ist eine Illusion. Wenn wir unser Herz öffnen und es zulassen, dass es sich im Einklang mit unserem Verstand befindet, können wir mit dem Blick in die unendlichen Weiten unseren Teil dazu beizutragen, dass sich die Menschheit in eine Richtung entwickelt, die allen Lebewesen gut tut.



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